Willkommen, Lebenskrieger

Vielleicht ist es nur die Midlifecrisis. Jedenfalls stelle ich mir zunehmend die „Sinnfrage“. Früher war es die Aufgabe der Kirchen, den Menschen Orientierung zu geben. Doch heute – in unserer hochvernetzten und gleichzeitig individualistischen Welt – können sie diese Aufgabe in der Breite nicht mehr leisten. Zum Einen glauben immer weniger daran, dass es einen einzelnen Gott gibt (welchen Namen man ihm/ihr auch immer geben mag), der direkt in unser Leben hineinregieren will. Und selbst zu den Gläubigen sprechen die Kirchen ja auch nicht mehr mit einer Stimme. Alle Gläubigen stellen sich ihr hocheigenes Glaubenspotpory zusammen aus den Regeln, die ihnen genehm sind.
Ich bin sehr froh, dass keine einzelne Institution mehr die Macht hat, über unser individuelles Seelenheil zu bestimmen. Und doch – wenn ich mich so umschaue, komme ich immer mehr zu dem Schluss, dass uns mit der kollektiven Erfahrung der sonntäglichen Predigt, „Wetten Dass?“ und dem „Tatort“, auch der gesellschaftliche Zusammenhalt immer mehr abhanden kommt. Die letzten Jahrzehnte haben wir diesen Umstand gut mit immer mehr Wohlstand und dem Streben nach mehr Geld als wir sinnvoll brauchen können übertüncht. Doch der Lack bekommt zunehmend Risse. Turbokapitalsmus und Konsumtempel verlieren für immer mehr ihre Anziehungskraft. Wir ahnen: Das geht nicht mehr lange gut.

Doch was kommt dann?

Extremismus ist weltweit auf dem Vormarsch. Rechtsextremismus, Linksextremismus, Islamismus, Christismus (Okay, das Wort gibt es so nicht, aber was anderes sind selbsternannte Fundamentalchristen, die bereit sind, Abtreibungsärzt*innen zu ermorden?), auch der Kapitalismus schraubt sich in seinem Endspurt (?) in immer absurdere Formen. In vielen Ländern stellen solche Gruppen unter dem verharmlosenden Deckmäntelchen des „Populismus“ Regierungen, und auch in Deutschland können die Leute mit den einfachen „Antworten“ auf komplexe Fragen zweistellige Wahlergebnisse erreichen.

Ich will nBicht zurück zur Staatskirche, aber ich wünsche mir nach all dem Individualismus wieder mehr Gemeinsinn. Ich will die Marktwirtschaft nicht abschaffen, aber ich will, dass sie dazu beiträgt, Probleme zu lösen statt sie zu verstärken. Ich will keine populistische Regierung, aber eine Demokratie, in der auch extremere Meinungen nicht niedergebrüllt, sondern als Teil des Diskures verstanden werden. Ich wünsche mir, dass der Unterschied zwischen Meinung, erwiesenen Tatsachen und vorläufigen Erkenntnisen/Hypothesen wieder (oder endlich?) allgemein verstanden und akzeptiert wird.

Was kann ich aber tun, um auf dieses – ja in keinster Weise wirklich klare – Ziel hinzuarbeiten? Ich bin kein Politiker, ich bin kein Unternehmer. Ich bin nur ein kleiner Sozialarbeiter mit etwas Leitungsverantwortung mitten in Deutschland, der glaubt, dass ein klarere, menschen- und naturfreundlicher moralischer Kompass nötig ist. Und ich glaube, dass er nicht mehr von Institutionen vorgegeben werden kann, sondern wir ihn in uns selbst hervorbringen müssen, und das wir diesen durch Vorleben und Diskussionen auch unseren Kindern vermitteln sollten.

Dieser Blog wird also mein Versuch, meine Gedanken in dieser Richtung zu sortieren, Möglichkeiten zu entdecken und Hindernisse zu bearbeiten. Es ist in erster Linie für mich. Schreiben hilft mir beim Denken. Und ich hoffe auf Diskurs, denn Reibung hilft, die Gedanken zu schärfen. Und wenn jemand für sich einen Nutzen aus meinem Geschreibsel ziehen kann, ist das natürlich fein für mich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.